Fünf Schritte, wie Ihre Mitarbeiter Mut zu Fehlern entwickeln können und was Sie als Führungskraft dazu beitragen können

von Anke Lüneburg

Führung ist eine wirksame Kraft, um Menschen und Organisationen zu ermöglichen, innere Hindernisse zum eigenen Engagement zu überwinden.“ (Amy Edmondson)

In manchen Organisationen sind Fehler erlaubt, es darf Neues ausprobiert werden und verworfen werden – Scheitern ist ok. In anderen Organisationen wiederum ist es nicht ok, Fehler zu machen, sie müssen sorgfältig verborgen werden, es werden Geschichten erfunden und Umwege gemacht.

Fehler machen geht nur, wenn sich Mitarbeiter und Führungskräfte psychologisch sicher fühlen. D.h., sie müssen keine Angst haben, wenn etwas nicht klappt, sie können sich in Meetings oder auf Baustellen äußern, wenn sie wissen, dass etwas vergessen wurde oder nicht richtig läuft. Wenn es Führungskräfte schätzen bzw. honorieren, dass ihre Mitarbeiter vor etwas warnen, auf etwas Vergessenes oder Wichtiges hinweisen, müssen sie es ihren Teams signalisieren. Dann fassen Mitarbeiter Mut, ihr Selbstvertrauen steigt.

Wenn Führungskräfte – und Unternehmensleitungen – jedoch bisher gewohnt waren, mit Angst zu führen (ja, das muss man so deutlich sagen!), dann braucht es eine umfassende Änderung der eigenen Haltung – eine kulturelle Transformation. Mit folgenden fünf Schritten kommen Sie dahin:

  1. Führungskräfte, Unternehmens- und Personalleitungen müssen die Voraussetzungen für die Haltungsänderung schaffen.

Da nicht nur Erfahrungen, sondern auch eigene Einstellungen, Werte, Normen und Glaubenssätze das eigene Handeln und die Kommunikation prägen sowie das Denken und Fühlen steuern, brauchen alle Entscheider in der Organisation professionelle Coaching-Prozesse. Auf Basis des Seerosenmodells können die tief verwurzelten Werte und Einstellungen erkannt werden, die Fallstricke auf dem Weg zur psychologischen Sicherheit sein können – und verändert werden. Da das sehr persönlich ist, sollte es nur im Einzel-Coaching erfolgen.

  1. Die neue Haltung an die Mitarbeiter vermitteln und zum Mitmachen einladen

Im zweiten Schritt kann an der Wortwahl, an der Stimmlage u.a. ebenso gearbeitet werden wie an der Vermittlung der Änderung und ihrer Notwendigkeit an die Mitarbeiter. Dazu muss das neue System, die Komplexität, der Nutzen und die Notwendigkeit erklärt werden, damit die Mitarbeiter Vertrauen und Selbstvertrauen entwickeln und lernen, sich wieder selbst zu motivieren. Damit es klappt, zeigen Führungskräfte Interesse und Neugier am Tun ihrer Mitarbeiter, regen zum Nachdenken an, geben aufrichtige, wertschätzende Feedbacks, immer orientiert an den vereinbarten Zielen.

  1. Ein Kernteam für die Transformation bilden

Die Unternehmens- oder Organisationsleitung bildet zum Start in der ersten Phase ein Kernteam, dass sich aus verschiedenen Hierarchieebenen, Funktionen und Arbeitsbereichen zusammensetzen sollte. Dazu lädt die Leitung die einzelnen Mitarbeiter und Führungskräfte persönlich in und verbindet mit der Bitte um Teilnahme den Hinweis auf die jeweiligen persönlichen Kompetenzen, die für den Prozess wichtig ist. Darüber hinaus sollten sich weitere Gruppen bilden, die sich jeweils mit spezifischen Themen beschäftigen.

  1. Angemessen und konstruktiv auf Äußerungen reagieren

Die Reaktion der Führungskräfte auf vertrauliche Mitteilungen, Hinweise und Anregungen von Mitarbeitern ist sehr wichtig für den Erfolg der Transformation. In allen Gruppen sollen sich alle äußern dürfen (und zu Äußerungen aufgerufen werden) – immer im vertraulichen Rahmen. Wegweiser muss die Haltung „Scheitern ist ein Merkmal des Lernens“ sein. Daher ist das Reflektieren der eigenen Werte und der Umbau der Kommunikation so wichtig.

  1. Aufbau eines Bezugsrahmens

Grundlage für den Erfolg der kulturellen Transformation mit dem Ziel der psychologischen Sicherheit ist der Bezugsrahmen. Dazu gehören folgende Punkte:

  • Das Bewusstsein von Unsicherheit bei gleichzeitiger Neugier auf Neues.
  • Das Bewusstsein der Wechselwirksamkeit von Führung: Führung kann nur wirken, wenn es auch Mitarbeiter gibt – und damit sind beide voneinander abhängig und wechselseitig verantwortlich für die Zielerreichung.
  • Führungskräfte können ihre neue Rolle der Verantwortung für psychologische Sicherheit nur durch stetiges Lernen gestalten (denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier und neigt zum Rückfall in alte Muster)
  • Allen Mitarbeitern muss der Zweck und der Sinn der Organisation klar sein. Führungskräfte sollten über die eigene Motivation, hier zu arbeiten, reflektieren, um dann für ihre Teams und deren Tätigkeit einen attraktiven Sinn zu entwickeln.
  • Die Haltung der Führungskräfte muss eine lernende sein: Sie müssen nicht alles wissen, sondern ansprechbar und zugänglich sein, proaktiv zu Meldungen in Meetings einladen und die eigene Fehlbarkeit erkennen lassen.
  • In Kommunikations-Workshops oder Coachings kann das absichtsvolle und systemische Fragen (wirkungsvolle offene Fragen!) und das aktive Zuhören erlernt werden, das dann im Führungsalltag eingesetzt werden kann.
  • Führungskräfte brauchen eine Haltung des echten und aufrichtigen Interesses an ihren Mitarbeitern, ihren Meinungen und fachlichen Einschätzungen, denn sonst entsteht eine Verzerrung der Realität (die neue Haltung wird nicht gelebt).
  • Es empfiehlt sich, dass jede Führungskraft im Unternehmen Strukturen einführt, um Ideen der Mitarbeiter zu erfahren, und auf diese mit Wertschätzung zu reagieren.
  • Leistung sollte nicht nur durch Kompetenzen bewertet werden, sondern auch durch erwünschtes Verhalten, Engagement und Einsatzbereitschaft.
  • Gibt es Verstöße oder schädliches Verhalten bei den Mitarbeitern, ist ein klares, konsequentes und faires Handeln erforderlich, das vorher auf der obersten Unternehmensebene durchdacht wurde.
  • Nicht zuletzt muss auf Unternehmensebene geplant werden, wieviel Prozent Scheitern sein darf und dieses im Unternehmen kommunizieren.

Nun fragen Sie sich ggf., was Sie mit Führungskräften tun sollen, die sich nicht verändern wollen?

  • Wecken Sie ihre Neugier, indem Sie Fragen stellen nach früheren Zeiten, z.B. während der Ausbildung oder dem Studium. Oft haben sich Führungskräfte über Jahre an die Unternehmenskultur (mit Angst gesteuert) angepasst und können sich eine Änderung nicht mehr vorstellen.
  • Zeigen Sie Mitgefühl: Erkennen Sie die bisherigen Leistungen der Führungskraft an, sprechen Sie über Herausforderungen in der heutigen Welt und was das für Ihr Unternehmen bedeutet. Besprechen Sie, wie Sie gemeinsam resiliente (widerstandsfähige) Arbeitsbedingungen herstellen können und welchen Nutzen das für die Führungskraft hat.
  • Fordern Sie Verbindlichkeit hinsichtlich der neuen Ziele und des erforderlichen Engagements ein. Dazu reicht es zunächst aus, wenn die Führungskraft in ihrem eigenen Team beginnt. Sichern Sie Unterstützung zu und bieten Sie sich als Sparringspartner an.
  • Durch die Umsetzung der drei Punkte entsteht eine neue Haltung der Führungskraft (und wenn sie trotz allem Engagement Ihrerseits nicht entsteht, ist es Zeit, über eine Trennung nachzudenken).
    (in Anlehnung an Edmondson und Lewin)

Um gegen den Wind anzukommen, müssen Segler kreuzen, also mit einem „Zick-Zack-Kurs“ segeln, denn durch den Gegenwind funktioniert es nicht, das Ziel geradewegs anzusegeln. So segeln sie passend zum Wind mehrfach Wendemanöver, wo jeweils die Segel neu gesetzt werden.

Das werden Sie auf Ihrem Weg zum Unternehmen mit psychologischer Sicherheit auch tun, denn Gegenwind oder Widerstand wird es geben. Das Großartige ist jedoch, dass jedes Wendemanöver Ihnen und Ihren Mitarbeitern neue Ideen ermöglicht und alle abholt, die sich ändern wollen.

Viel Erfolg und Zuversicht auf Ihrem Segeltörn zur kulturellen Transformation!

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