Wer spricht denn da? Darf ich vorstellen: Die Mitglieder Ihres inneren Teams
Jeder Mensch hat innere Selbstanteile in sich, die durch die übliche Persönlichkeitsentwicklung (das innere Baby, das innere Kleinkind, das innere Schulkind, der innere Jugendliche etc.) und durch die Verinnerlichung der wichtigsten Bezugspersonen. Menschen tragen deren Kopien in sich, die meist in unseren frühen Lebensjahren eine wichtige Rolle gespielt haben, z. B. den "inneren Vater" oder die "innere Mutter". Innere Anteile können aber auch durch schlimme Erfahrungen entstehen - dann gibt es in uns verletzte Anteile, die im damaligen Erleben "stecken geblieben" sind: Verletzte innere Kinder. Ursachen sind nicht nur schwere Traumatisierungen wie Gewalt oder Vernachlässigung, sondern auch ständiges Abgewertet-Werden oder ein instabiles Umfeld.
Entstehung des „inneren Teams“ oder „inneren Parlaments“
Das Modell des inneren Teams, auch Ego-State-Therapie (Arbeit mit inneren Persönlichkeitsanteilen) genannt, wurde ab ca. 1980 von Helen und John Watkins zunächst für die Traumatherapie entwickelt, die deutsche Trauma-Therapeutin Dr. Luise Reddemann hat es für ihr Modell PITT weiterentwickelt. Es handelt sich dabei hauptsächlich um eine Kombination von tiefenpsychologischen Grundsätzen mit hypnotherapeutischen und systemischen Ansätzen. Vergleichbare Modelle haben weitere bekannte Therapeuten entwickelt, u.a. der deutsche Psychologie-Professor Friedemann Schulz von Thun, die amerikanische Familientherapeutin Virginia Satir ("inneres Theater") oder Gunther Schmidt ("inneres Parlament"). Hier sehen Sie ein Beispiel:
Ihre Persönlichkeit und seine Mitglieder
Das System einer Gesamtpersönlichkeit kann man sich symbolisch wie eine "innere Familie", ein "inneres Team" oder als "innere Mitarbeiter" vorstellen. Die verschiedenen "Mitglieder" kennen sich mehr oder weniger gut, können mehr oder weniger gut miteinander kommunizieren und kooperieren. Die "Mitglieder" haben verschiedene Fähigkeiten oder Bedürfnisse. Dadurch kann es zu innerer Anspannung und somit zu Konflikten kommen. Wenn Sie z. B. vor der Entscheidung stehen, ob Sie ein Jobangebot annehmen sollen oder nicht, so wirken verschiedene innere Meinungen auf Sie ein. Das sind Ihre inneren Mitglieder, die sich häufig uneins sind und auf Sie Einfluss nehmen wollen.
Beispiel: Sie bekommen ein interessantes Jobangebot
In Ihrem inneren Team könnten folgende "Personen" versammeln, die jeweils einen passenden Kernsatz äußern:
- die "Gemütlichkeit": "Ist doch so nett mit den Kollegen in dieser Firma",
- die "Ehrgeizige": "Du willst doch weiterkommen und mal eine Führungsposition einnehmen!",
- die "Ängstliche": "Wer weiß, wie die Leute da sind - vielleicht ist alles viel schlimmer als jetzt?"
- die "Kritikerin": "Ob ich den Job überhaupt kann? Mein Wissen reicht bestimmt nicht"
- die "Private": "Was sagen denn meine Familie und meine Freunde dazu, wenn ich jeden Tag so weit fahren muss?"
- die "Kluge": "Wenn du diese Stelle annimmst und zwei Jahre durchhältst, hast du Chance auf eine bessere Stelle hier im Heimatort!"
Sie können diesen Stimmen auch Namen geben, z. B. "Couch Potato" für die Gemütlichkeit, "Angsthase" oder "Püppchen" je nach Größe für die Angst, oder "Professor/in" für die kluge Person. Auch echte Namen sind denkbar. Das Malen der Stimmen trägt zur Vorstellungskraft bei: Ein Sofa, ein Hase, ein Gesicht mit Brille - seien Sie kreativ!
Wie oben erwähnt, können manche "Wortbeiträge" die "Stimmen" Ihrer Eltern oder anderer Persönlichkeiten sein, die sich zu Wort melden. Das kann der Mut sein ("du schaffst es, die neue Stelle gut zu machen") oder auch Angst ("für eine solche Aufgabe reicht dein Wissen doch gar nicht").
Wirkung des inneren Teams
Der "Streit" zwischen den Stimmen kann anstrengend und sogar belastend sein, trägt jedoch entscheidend zur Selbstklärung bei, denn jede Stimme hat ihre Berechtigung und Aufgabe, die durch ihr Wissen und ihre Weisheit zu einer Entscheidung beiträgt. Die Herausforderung besteht darin, alle Stimmen zu Wort kommen zu lassen, auch die "unauffälligen" und "leisen" Stimmen, um Einigkeit herzustellen. Ebenso wichtig ist es, alle Stimmen in der "inneren Ratsversammlung" willkommen zu heißen, auch die, die möglicherweise nicht dem eigenen "Idealbild" des Selbst entsprechen. Gerade diese haben eine wichtige Funktion; werden sie nicht gehört, können sie eine psychische Belastung auslösen. Durch die Übung kann eine Stimmigkeit aller Stimmen hergestellt werden: Der "Chaosclub" wird teamfähig gemacht.
Die Klärung der inneren Stimmen ist ein wichtiger Schritt: Um nach außen klar und eindeutig kommunizieren zu können und damit professionell aufzutreten, müssen Menschen, insbesondere Führungskräfte, nach innen stimmig sein.
Haben Sie Zeit und Lust, sich mit Ihrem inneren Team zu beschäftigen?
Dann biete ich Ihnen gern eine Anregung: Sie brauchen etwas Übung; meist wird es in einem Coaching angewendet.
Überlegen Sie sich ein Anliegen, das bei Ihnen aktuell ansteht, z. B. "Wenn ich an die bevorstehende Umstrukturierung denke, welche Stimmen melden sich dann bei mir?". Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und malen Sie sich mit einem großen Bauch (wie die Bilder oben). Malen Sie dann Ihre Teammitglieder. Welche Stimmen melden sich? Sind sie groß oder klein? Sind sie mehr im Vordergrund oder im Hintergrund? Achten Sie darauf, wie sie zueinander stehen: Dicht nebeneinander, gegeneinander, hintereinander, am Rand... Was sagen sie (ein typischer Satz)und wie heißen sie? Arbeiten die Stimmen miteinander oder gegeneinander? Denken Sie nach, ob es weitere Mitglieder gibt als nur die, die Ihnen sofort einfallen. Wenn Sie möchten, können Sie mir Ihr inneres Team im Rahmen eines (Telefon)Coachings vorstellen. Wir sprechen dann über Ihre Teammitglieder, ihre Aussagen, über Auffälligkeiten und Ihre Lernerfahrungen.
Es macht sehr viel Spaß, sich mit seinem inneren Team zu beschäftigen. Wenn Ihnen obiges Beispiel zu kompliziert ist, beginnen Sie gern mit einem einfachen Beispiel, z.B. „Soll ich ab sofort in den Fitness-Club gehen oder nicht?“ Viel Erfolg beim Finden all Ihrer Mitglieder!
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