Fünf Tipps, wie ich mehr Sinn in mein Leben und in meine Arbeit integrieren kann

Immer mehr geht es in der Gesellschaft um die Sinnhaftigkeit der Arbeit und des Lebens. Menschen wollen etwas Sinnvolles tun, etwas hinterlassen. Wer Leere in seinem Leben empfindet, sucht nach dem Sinn des Lebens, stellt sich Fragen wie „Wofür bin ich auf der Welt?“ oder „In wessen Dienst will ich mein Leben stellen?“. Das ist insbesondere zum Jahreswechsel ein spannendes Thema – oft wollen wir, dass sich im nächsten Jahr etwas ändert. Nur was und wie? Und ist das Thema Sinn nicht ziemlich abstrakt? Hier können ein paar Ergebnisse aus den Studien von der Sinnforscherin Tatjana Schnell (www.sinnforschung.org ) Licht ins Dunkle bringen.

  1. Den Sinn des Lebens gibt es nicht. Sondern jeder Mensch kann auf seine eigene Art seinem Leben einen Sinn geben, also seinen Sinn im Leben finden.

Manche Menschen geraten erst in einer Krise zur Frage, wofür alles gut ist, wohin sie sich entwickeln wollen oder ob sich das Leben lohnt. Andere finden schon vorher Erfüllung durch bestimmte Werte oder Handlungen. Eine sogenannte „Sinn-Hierarchie“ (Schnell, S.33f) in Form eines Dreiecks zeigt, dass von der untersten Ebene der Wahrnehmung von Reizen durch die Sinne bis zur obersten Ebene des Lebenssinns jede Ebene (Handlungen, Ziele und Lebensbedeutungen) sinnvoll erscheint, wenn sie eine Option bietet. Eine Wahrnehmung ist also sinnvoll, wenn sie eine Handlungsoption bietet, eine Handlung ist sinnvoll, wenn sie auf ein Ziel verweist usw. So wird die eigene Lebensgeschichte als sinnvoll erlebt, wenn sie sich in die Geschichten anderer einbinden lässt oder sie etwas Relevantes für die Gesellschaft getan hat. Habe ich mich z.B. für erneuerbare Energien eingesetzt, so habe ich etwas Sinnvolles bewirkt. So kann dieses Dreieck auch von oben gestaltet werden: Habe ich für mich einen Lebenssinn definiert, ergeben sich daraus die Ziele und Handlungen, die ich grundsätzlich auch als sinnvoll empfinde. Habe ich keinen Lebenssinn definiert, kann alles sinnlos erscheinen, auch Ziele und Handlungen. Daher sind Selbstbestimmung bzw. Autonomie wichtig für das Erleben von Sinnhaftigkeit: Wenn ich mein Leben und meinen Beruf weitgehend selbst gestalten darf und merke, dass ich in der Lage bin, Lösungswege zu finden, also selbstwirksam zu handeln, erlebe ich mein Dasein als sinnvoll.

  1. Die Sinnstifter kennen. Die größte Sinnstifterin ist die Generativität: Das Tun oder Erschaffen von Dingen mit bleibendem Wert.

Tatjana Schnell hat durch ihre Studien herausgefunden, dass es 26 Sinn-dimensionen gibt (Schnell, S. 70ff). Die ersten zehn Sinnstifter sind

  • Die schon erwähnte Generativität: Hier liegt der Sinn im Erschaffen von etwas Größerem und Bleibendem für die Gesellschaft oder für kommende Generationen
  • Fürsorge und Hilfsbereitschaft
  • Religiosität und persönliche Gottesbeziehung
  • Harmonie: Ausgewogenheit und Gleichklang mit sich selbst und anderen
  • Entwicklung: Zielstrebigkeit und Wachstum
  • Soziales Engagement: Aktives Eintreten für Gemeinwohl oder Menschenrechte
  • Bewusstes Erleben: Achtsamkeit und Rituale
  • Naturverbundenheit
  • Kreativität: Fantasie und schöpferische Gestaltung
  • Gemeinschaft: Menschliche Nähe und Freundschaft.

Schnell hat die 26 Sinndimensionen aufgeteilt in drei Schwerpunkte: Selbsttranszendenz (vertikal und horizontal), Selbstverwirklichung und Wir- und Wohlgefühl. Selbsttranszendenz bedeutet die Rückstellung eigener Bedürfnisse zugunsten des Dienstes an der Gemeinschaft.

Sinn wird erlebt, wenn mindestens vier Sinndimensionen oder Rollenidentitäten verwirklicht werden. Ist also jemand Familienmutter, engagiert sich sozial, erbringt im Beruf Leistung, ist kompetent und erfolgreich, und pflegt Freundschaften und Kontakte, so sind vier Sinndimensionen erfüllt. Im Rahmen der Work-Life-Balance sollen alle Lebensbereiche balanciert sein, denn so haben Menschen unterschiedliche Quellen, aus denen sie Energie und damit Sinn schöpfen. Funktioniert eine Sinnquelle nicht mehr, weil z.B. der Arbeitsplatz weggefallen ist, so sind (hoffentlich) andere Sinnquellen vorhanden, die die betroffenen Menschen über kritische Zeiten hinweg tragen. Wer im Sinne der Transzendenz in die Tiefe geht, z.B. durch Spiritualität, soziales Engagement, Naturverbundenheit, Selbsterkenntnis oder Generativität, intensiviert seine Sinnerfüllung. Das kann auch für die Arbeit gelten: Bin ich z.B. für eine Organisation tätig, die sich für beeinträchtigte Menschen oder für den Klimawandel engagiert, so decken sich die organisationalen Werte ggf. mit den eigenen.

  1. Den Umgang mit Sinnkrisen lernen.

Sinnkrisen können durch verschiedene Situationen ausgelöst werden: Bei jungen Menschen können es Orientierungsschwierigkeiten sein, was sich insbesondere jetzt in/ nach der Pandemie sowie durch die Bedrohung durch den Ukraine-Krieg und den bedrohten Klimawandel zeigt. Junge Menschen, auch sehr junge, stellen sich Fragen wie „Lohnt es sich noch, einen Schulabschluss/ eine Ausbildung zu machen?“ oder „Was soll ich bloß werden? Wohin soll ich mich entwickeln?“, die zu einer Sinnkrise führen können. Bei allen Altersgruppen können Trennungen, Todesfälle, berufliche oder familiäre Konflikte sowie Erkrankungen Sinnkrisen auslösen: „Warum trifft es mich?“, „Was soll ich allein bloß anfangen?“ oder „Meine Arbeit ist so sinnlos“. Alte Menschen können kurz vor Lebensende Sinnkrisen erleben, wenn sie keine Perspektive mehr für ihr Leben sehen, Angst haben, die Kontrolle über ihr Leben und damit ihre Würde zu verlieren.

Wer eine Sinnkrise erlebt, braucht Zeit, sie zu bewältigen. Dazu gehört eine Auszeit in einem geschützten Raum, z.B. ein Rückzug in ein Kloster oder in ein Ferienhaus, wo Menschen sind, die einen Betroffenen privat oder professionell begleiten können. Teil der Sinnkrise ist die Angst. Sie darf nicht „unter den Teppich gekehrt“ werden, sondern zur Bewältigung der Krise ist es erforderlich, sich der Angst zu stellen, aktiv mit ihr umzugehen und sich den angstauslösenden Themen zu stellen. Dann entsteht Klarheit, worum es wirklich geht – dass die Angst ggf. zu hoch bewertet wurde und dass sie kleiner wird, wenn man sich wieder den positiven Seiten des Lebens zuwendet. Durch die Auseinandersetzung mit der Angst und dem fehlenden Sinn entsteht eine transformative Kraft. Ein Leitfaden dazu bietet Tatjana Schnell an: https://www.sinnforschung.org/mein-lebenssinn/leitfaden. Bitte beachten Sie, dass die Auseinandersetzung mit Sinnfragen schmerzhaft und anstrengend sein kann, wenn Sie sich noch nie damit beschäftigt haben. Es öffnet jedoch eine Tür zu mehr Klarheit und hilft Ihnen, den Sinn in Ihrem eigenen Leben zu finden. Möglicherweise ist es für Sie empfehlenswert, sich in der ersten Phase von einer Coach begleiten zu lassen (bei tiefergehenden Krisen ist ein Therapeut die beste Wahl).

  1. Sinnerfüllung dient als Motivator und trägt zu höherer seelischer und körperlicher Gesundheit bei.

Wer großes Vertrauen in die Funktion des eigenen Lebens hat, lebt länger und gesünder als andere. Dazu gehört, dass Menschen verstehen und nachvollziehen können, was ihnen im Laufe des Lebens widerfährt und sie nicht überrumpelt. Sie sehen sich dazu in der Lage, ihr Leben zu bewältigen, weil sie daran glauben, genügend innere und äußere Ressourcen (Mittel) zu haben, um alle Herausforderungen des Lebens erfolgreich anzunehmen. Darüber hinaus wissen diese Menschen, dass ihr Handeln etwas bewirkt, dass es sinnvoll ist. So sind sie bereit, in sich selbst und in ihr Leben zu investieren, z.B. in ausreichend Schlaf, Bewegung und gutes Essen – sich also etwas Gutes zu tun. Herausgefunden hat das Aaron Antonovsky mit seinem Modell der Salutogenese: https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/salutogenese/

  1. Arbeit mit Sinnhaftigkeit als Ziel.

Was macht Arbeit sinnvoll? Zunächst ist die Zielerreichung sinnvoll: Hat eine Ärztin einen Patienten geheilt, ist ihre Arbeit sinnvoll, ebenso wenn eine Landwirtin Gemüse ökologisch anbaut und damit für gesunde Ernährung sorgt. Auf der anderen Seite gibt es die „Bullshit-Jobs“ (siehe Buch von Graeber: https://www.klett-cotta.de/buch/Gesellschaft_/_Politik/Bullshit_Jobs/112150): Jobs, die niemand braucht, die sinnlos sind.

Damit Menschen ihre Arbeit als sinnvoll empfinden, sollte sie folgende Kriterien erfüllen:

  • Bedeutsamkeit: Menschen müssen den Nutzen ihrer Arbeit für andere erkennen und wissen, ob ihr Handeln Auswirkungen hat – innerhalb und außerhalb ihres Unternehmens. Repariert der Mechaniker Autos, so freuen sich die Kunden – damit ist er sich seines Nutzens bewusst.
  • Orientierung: Für welche Werte steht mein Unternehmen? Welche Vision und Mission steuern sein Handeln? Der Begriff „Purpose“/ Zweck wird heute häufig verwendet. Ein Beispiel aus dem Bereich erneuerbare Energien ist die Vision eines Unternehmens, zur Dekarbonisierung Deutschlands beizutragen.
  • Passung und Stimmigkeit von eigenen Werten und Sinndimensionen mit denen des Unternehmens sowie Passung von Prozessen in der Organisation, die sich ergänzen, ebenso wie widerspruchsfreie Ziele.
  • Identifikation und Zugehörigkeit zum größeren Ganzen: Menschen empfinden ihre Arbeit als sinnvoll, wenn sie gebraucht werden, Verantwortung übernehmen dürfen und sich mit ihrer Organisation, ihren Zielen und Aufgaben identifizieren können.

Vielleicht ist jetzt die Zeit zur Jahreswende, dass Sie Lust und Zeit haben, sich mit dem Thema Sinn zu beschäftigen. Oder sich zu Beginn des Jahres jemanden zu suchen, der sie dabei begleitet. Wenn Sie wissen, wofür Sie auf der Welt sind oder in wessen Dienst Sie Ihr Leben stellen wollen, gewinnen Sie Klarheit für alle Aspekte: Beruf, Privatleben, Familie, Hobbys, Ehrenamt….

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Entdeckung Ihres persönlichen Lebenssinns!

Quellenangabe: Schnell, T. (2020): Psychologie des Lebenssinns, 2.AQuflage, Springer, Berlin

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