Fünf Wege zu einem erfüllten Ruhestand

von Anke Lüneburg

Die Generation der Babyboomer (Jahrgänge ca. 1947-1964) gehen jetzt Jahr für Jahr in den Ruhestand. Viele freuen sich, andere arbeiten weiter, ggf. reduziert, wenn ihr Unternehmen sie ums Bleiben bittet. Dazu trägt die staatliche Entscheidung bei, dass Ruheständler unbegrenzt zur Rente dazuverdienen dürfen, weil sie als Fachkräfte dringend gebraucht werden. Alternativ entscheiden sich viele für ein Ehrenamt: In der Kommunalpolitik, in kirchlichen, sportlichen oder sozialen Institutionen. Oder für Zeit mit Enkelkindern, wo sie häufig als Betreuung gebraucht werden – oder einfach für Zeit für sich selbst, die sie nie hatten.

Manche der Jüngeren, jetzt um Mitte/ Ende 50, fangen ebenfalls an, sich Gedanken zu machen. Wie möchte ich es regeln? Will ich früher gehen, also vor 67 – denn ab Jahrgang 1964 beginnt der reguläre Ruhestand erst dann – und Abschläge hinnehmen? Oder will ich länger arbeiten, weil ich zum einen noch mehr in die Rente einzahlen kann und damit mehr bekomme, wenn ich endgültig aufhöre? Wenn ja, wieviel will ich arbeiten?

Neben allen finanziellen Betrachtungen ist es hilfreich, vorab zu überlegen, wie ich meinen Ruhestand gestalten möchte, so dass ich noch viele gute und gesunde Jahre habe.

  1. Wie körperlich gesund bin ich? Möchte ich regulär oder früher aufhören, weil ich erschöpft bin und oder bestimmte Krankheiten habe, die die Arbeit erschweren? Dann ist es sinnvoll, das mit der Hausärztin zu besprechen, wie sich die Gesundheit verändern könnte, wenn ich weiterarbeite oder wenn ich es nicht mehr tue und stattdessen z.B. Zeit brauche, um mich mehr körperlich zu bewegen.
  1. Wie sehr bin ich im Beruf und/oder im Ehrenamt aktiv? Freue ich mich auf Ruhe, unendliche Freiheit, Reisen u.ä.? Dann ist es wichtig, in sich zu gehen: Werde ich diese Ruhe aushalten? Die ersten 3-4 Wochen sind sicherlich super, wie Urlaub….und dann? Täglich einkaufen gehen, um die Zeit zu bezwingen? Aufräumen, Dinge sortieren? Irgendwann ist auch das erledigt. Oder ich kann mich gar nicht mehr aufraffen? Gerade diejenigen, die eine tragende Rolle in ihrem Beruf gespielt haben und ein großes berufliches Netzwerk hatten, fallen jetzt wortwörtlich durchs Netz – denn da ist ggf. niemand oder nur wenige alte Freunde, die man aufgrund der Arbeit wenig gesehen hat. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, sich spätestens ab Ende 50 zu überlegen, wie ich mir neue Netzwerke aufbaue, wo ich mich ggf. engagieren will, ob ich meinen Garten neu gestalten oder mich mit einem ganz neuen Thema beschäftigen möchte. Wenn ich keinen Plan habe, besteht die große Gefahr der Einsamkeit, die entstehen kann, und damit eine Altersdepression. Gerade sehr engagierte Menschen können manchmal das Ende ihrer Berufstätigkeit nicht gut aushalten – insbesondere bei Selbständigen kann eine Depression auftreten. Sie blenden das Ende aus, verschieben es, bis es (körperlich) nicht mehr geht – und fallen dann in ein Loch. Durch eine gute realistische Planung, ggf. im Austausch mit einer externen Sparringspartnerin, kann eine solche Entwicklung vermieden und die Zukunft positiv betrachtet werden.
  1. Mag ich fachlich meinen Beruf? Nicht meine Position oder meine Führungsaufgaben, die möchte ich gern abgeben – aber mein Wissen, meine Talente und meine Erfahrungen möchte ich gern mit Jüngeren teilen, vielleicht mich nochmal in ein neues Thema einarbeiten, für das die Jüngeren keine Zeit haben. Auch hier sollte ich ab Ende 50 mit Entscheiderinnen in meinem Unternehmen sprechen: Ist das (wirklich!) gewollt? Werden Ältere positiv aufgrund ihrer Talente betrachtet oder warten alle darauf, dass sie endlich gehen? Wird es ihnen zugetraut, sich nochmal mit Neuem zu beschäftigen? Diese Fragen können zunächst durch Beobachtung beantwortet werden: Darf ich mich jetzt, mit Mitte/ Ende 50, noch weiterentwickeln, durch Weiterbildungen etc.? Darf ich meine Arbeitszeit anpassen, so dass ich mit meiner Kraft besser zurechtkomme? Werde ich wertgeschätzt und mag ich das Betriebsklima? Wenn ich das für mich positiv beantworten kann, sollte ich das Gespräch zunächst mit meiner Leitung und der Personalabteilung suchen: Ist es gewünscht, dass ich bleibe? Welche Möglichkeiten gibt es? Wie bereiten wir das gut vor? Welche Rolle spiele ich dann im Unternehmen? Gute Unternehmen machen sich dazu Gedanken, entwickeln ihre Organisation und ihre Unternehmenskultur entsprechend weiter. Und: Menschen im Ruhestand brauchen das Gefühl, weiterhin gebraucht zu werden – das stärkt die physische und die psychische Gesundheit.
  1. Nutze ich eigentlich meine Begabung in meinem jetzigen Beruf? Oder erlebe ich die Erfüllung in meinem Hobby oder anderen Beschäftigungen? Wenn ich meine Begabung im Beruf gut nutzen kann (siehe Schritt 3) und sie vermissen würde, sollte ich Schritt 3 verfolgen. Vielleicht in einer Rolle als Berater? Oder kann ich meine Talente anderswo erfolgreich einsetzen? Natürlich möchte ich Jüngeren keine Stelle wegnehmen – doch durch den Fachkräftemangel bei vielen Unternehmen und Verwaltungen werde ich möglicherweise weiterhin gebraucht. Wer seine Talente in seiner derzeitigen Tätigkeit nicht nutzen kann oder darf, sollte sich ebenfalls rechtzeitig Gedanken machen: Wo könnte ich sie einsetzen? Wem könnte ich nutzen? Oder beginne ich endlich, meine kreative Seite mit Leben zu erfüllen? All das kann mit guten Freunden, Partnern oder externer Unterstützung gut vorbereitet und entwickelt werden.
  1. Der 5. Weg ist ein philosophischer: Wenn ich von meiner Haltung her jung bleiben möchte, brauche ich nicht nur eine gewisse körperliche Fitness, sondern auch eine „open-mindedness“, also geistige, emotionale und spirituelle Offenheit (Altersforscher Andreas Kruse). Es ist wichtig, seine sozialen, seelischen und spirituellen Bedürfnisse zu erfüllen. Dafür brauche ich Zeit, auch zur Investition in neue Beziehungen, vor allem zu Jüngeren, um deren Denken und Handeln zu verstehen und die eigenen Einstellungen nicht starr werden zu lassen. Allen Menschen ist Autonomie, Leistungsfähigkeit, Effektivität wichtig, egal welchen Alters – wir möchten auch im höheren Alter möglichst allein zurechtkommen – und die Jüngeren sollen das akzeptieren. Wer sich für Neues interessiert, offen im Austausch mit anderen und deren Standpunkten ist, gern zuhört und bereit ist, sich mit neuer Technik oder anderem Unbekannten auseinanderzusetzen, bleibt lebendig und eine interessante Gesprächspartnerin. Zusätzlich kann ich durch diese Offenheit über noch zu klärende Dinge aus der Vergangenheit nachdenken: Gibt es negative Erinnerungen, die ich verdrängt habe, die jedoch dann, wenn ich im Ruhestand bin, hochkommen könnten? Träume ich jetzt schon von Erinnerungen? Dann ist es gut, wenn ich mir dafür Zeit nehme, mir ggf. professionelle Unterstützung hole oder mit ähnlich offenen Menschen über solche Themen spreche und für mich eine Lösung finden kann.

Fazit:
Es gibt verschiedene Wege zum Ruhestand. Sinnvoll ist eine gute Vorbereitung, die die eigenen Bedürfnisse und Wünsche klärt. Im Grunde sollte kein Weg ausgelassen, sondern gecheckt werden. Denn wer seine seelischen Bedürfnisse und Erinnerungen ignoriert und viel weiterarbeitet, um nicht nachdenken zu müssen, wird dennoch spüren, dass dort Dinge zu klären sind. Werden sie nicht geklärt, wirkt sich das auf die körperliche Gesundheit aus – oder es entsteht eine Altersdepression.

Zeigen Sie sich offen für Neues, nutzen Sie Ihre Talente weiterhin und entwickeln Sie Freude am Leben – auch wenn nicht mehr alles so geht wie früher. Dann können Sie Ihren Ruhestand genießen und empfinden eine Abwechslung von Beschäftigung und Ruhezeiten als angenehm und freudespendend. Und: Sie sind eine wunderbare Gesprächspartnerin für Familie, Freunde und Nachbarn aller Generationen.

Ich wünsche Ihnen viel Freude und gute Begleitung auf Ihrem Weg!

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