Lebensfragen - Lebenszweifel - Fragen, die sich Menschen ab Mitte 40 stellen

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„Wofür bin ich hier?“ Oder „Was soll das Ganze?“ sind typische Fragen, die sich Menschen ab Mitte 40 stellen. Oder sie vermeiden sie und arbeiten stattdessen extrem viel, suchen sich jüngere Partnerpartnerinnen, oder nutzen Drogen zum ablenken.

Ab Mitte 40 wird uns deutlich, dass wir über die Hälfte unseres Lebens hinter uns haben: Die Zeit wird wertvoller, sie läuft schneller - und wir merken, dass vieles mehr Kraft kostet, der Wille nachlässt und dass wir uns im Job eher auf unser Wissen und unsere Erfahrung verlassen - wenn man uns lässt.

Die Fragen und Zweifel sind normal - nur spricht niemand darüber. Bereits vor 40 Jahren hat der niederländische Arzt und Psychotherapeut Bernard Lievegoed (und vor ihm viele andere – bis zu den Griechen!) die einzelnen Lebensphasen beschrieben, die meist in Siebener-Schritten erfolgen. Bis sieben Jahre, bis 14, 21, 28 usw. In jeder Lebensphase entwickeln wir uns weiter, in jeder ist etwas anderes wichtig, damit die Weiterentwicklung erfolgen kann. So werden die Lebensphasen beschrieben:

Lebenszyklen in 7 Schritten

0-7 Jahre Zeit des Phantasielebens
7-14 Jahre Zeit der Imagination
14-21 Jahre Pubertät und Adoleszenz
21-28 Jahre Erste Erwachsenenphase/Eroberung der Lebensbasis
28-35 Jahre Bestätigung der gefundenen Lebensbasis
35-42 Jahre Reorientierung der (beruflichen) Ziele
42-49 Jahre Zweite Pubertät, manisch depressive Phase, schwächerer Willensimpuls, Aufgaben mit Wissen und Erfahrung lösen
49-56 Jahre Neue Haltung: Neue existenzielle Werte gefunden (ggf. Führungsautorität) oder Bedrohung des Selbstwertgefühls durch Jüngere/"Ich-Verhaftung"
56-63 Jahre Loslösung vom "alten Leben" (Position, Erfahrung), neue Ziele setzen
63-70+ Jahre Weisheit, schöpferische Kräfte, Akzeptanz der Veränderung

(In Anlehnung an Bernard Lievegoed)

Besonders interessant ist die Phase von 42-49 Jahre. Dort beginnen die genannten Fragen und Zweifel sich zu melden und Raum einzunehmen. Und uns zu beunruhigen! Wir stellen Dinge infrage, die bislang selbstverständlich waren wie die Partnerschaft oder den Job bzw. das Unternehmen, für das wir tätig sind.

Es gibt jedoch eine gute Lösung, aus dieser schlimm empfundenen Phase herauszukommen: Sich um das Sein kümmern, eine Antwort auf die Frage finden „Wer bin ich?“. Wer hier beginnt nachzudenken und sich über existenzielle Werte Gedanken macht, der kann gut die nächste Phase erreichen und sich positiv zu einem weisen Menschen weiterentwickeln. Solche Menschen werden durch ihr reflektiertes Handeln und Da-Sein hervorragende Führungskräfte oder Spezialisten ihres Fachs; auch Künstler oder Musiker steigern ihre Kreativität bis ins hohe Alter.

Menschen, die sich jedoch dem Nachdenken verweigern, werden auf Dauer verbittert - sie neiden jungen Menschen ihre Jugend und im Unternehmen sind sie nicht bereit, junge Kollegen zu unterstützen („Noch bin ich da!“ oder „Das haben wir alles auch mal ausprobiert, hat nicht geklappt“). Das kann bis zu ruinösen Verhalten bei Eigentümern gehen, die nicht bereit sind, Nachfolger/innen aufzubauen.

Wer sich jedoch neben dem Nachdenken mit neuen Themen beschäftigt (eine neue Sprache oder Hobby lernt, ein neues Ehrenamt übernimmt oder Ähnliches), der wird in der nächsten Phase von 49-56 Jahren gefragt sein als interessanter Gesprächspartner und Wissensträger, der gern seine Erfahrung weitergibt. Junge Menschen werden seinen oder ihren Rat suchen und ihn oder sie respektieren für seine/ ihre Lebensleistung - im Gegensatz zu den anderen, denen man lieber aus dem Weg geht. So wie man am Ende der Phase 21-28 Jahre akzeptieren muss, dass die Zeit der Jugend vorbei ist (und eine neue interessante Phase beginnt, zum Beispiel Familiengründung), so ist es hier wichtig zu akzeptieren, dass die körperliche Kraft weniger wird und dafür die geistige wachsen muss, um zufrieden in die Phase von 56-63 Jahre einzutreten und den Übergang in den Ruhestand gut zu gestalten. Loslassen ist hier wichtig - rechtzeitig Platz machen im Unternehmen für den Nachwuchs - und sich neuen Dingen zuzuwenden. Manchmal behalten Organisationen ältere Menschen mit viel Wissen und innerer Ruhe als Berater/innen – etwas Besseres können sie für sich und ihre Organisation nicht tun…

Neu kann in dieser Phase auch sein, sich mehr Ruhe zu gönnen, Zeit für alte Freunde und Enkelkinder zu haben - und endlich all die Bücher zu lesen, die man schon immer lesen wollte. Reflektierte Menschen akzeptieren ihre körperlichen Veränderungen, die sich naturgemäß ebenso einstellen wie Falten und genießen ihre geistige und seelische Ausstrahlung sowie den Austausch mit anderen.

Das Beschäftigen mit neuen Zielen und dem eigenen Selbst ist eine große Bereicherung, die Menschen weise werden und damit ihre letzte Lebensphase positiv gestalten lässt. Eine wunderbare Vorstellung: Als kluger Mann oder weise Frau auch mit über 80 noch ein gefragter oder eine gefragte Gesprächspartner/in zu sein – und sich nicht über Krankheiten und Defizite unterhalten zu müssen…!

Wer in seinen Vierzigern hadert, kann sich einen Anstoß von außen holen oder eine Zeit lang begleiten lassen - dann öffnet sich eine neue Welt, die man allein weiter gestalten kann. Auch in den Fünfzigern kann nochmal ein Punkt kommen, wo gezweifelt wird, ob die neuen Werte wirklich tragen. Wer sich unterstützen lässt, geht frohen Mutes und gestärkt seinen Weg weiter.

Ich wünsche Ihnen viel Freude bei Ihrer geistigen und seelischen Weiterentwicklung!

P.S. Und falls Sie noch eine Inspiration brauchen: das Buch von Bernhard Lievegoed heißt „Lebenskrisen – Lebenschancen“ (1976 erschienen). Ein kleiner Hinweis: Manches erscheint heute altmodisch, aber der Kern des Buches ist immer noch aktuell.

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