Vom Krieg in die Zukunft (Dr. Florence Gaub)
Über die kulturell-überzeitliche Bedeutung des Krieges – und den Mut, konstruktiv mit der Realität umzugehen
Es gibt zwei Gedankenschulen, die sich mit Krieg befassen. Die Vertreter*innen der einen konzentrieren sich auf das „Womit“: Sie diskutieren Panzer und Drohnen, jonglieren mit Zahlen und imaginieren die Zukunft des Krieges als Hightech-Vision. Die anderen, zu denen ich gehöre, befassen sich mit dem „Warum“. Wir werden die „Clausewitzer“ genannt, nach dem preußischen General Carl von Clausewitz, der eines der wichtigsten Werke dazu schrieb: „Vom Kriege“ aus dem Jahr 1832.
Dieser Text stammt aus der Zukunfts-Kolumne von Matthias Horx:
www.horx.com/die-zukunfts-kolumne
Siehe auch: https://thefutureproject.de/
Dr. Florence Gaub
Was Clausewitz so zeitlos macht, ist, dass er Krieg in erster Linie nicht als ein technologisches, sondern als ein menschliches Phänomen begreift, bei dem ein politischer Konflikt in Gewalt ausartet. „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“, schrieb Clausewitz. Das Ziel von Krieg ist also nicht, so viel wie möglich kaputtzumachen, sondern der Gegenseite den eigenen Willen aufzuzwingen.
Das bedeutet auch, dass Krieg mit der Frage beginnt: Was würde meinen Gegner dazu bringen, das zu tun, was ich möchte? Für viele ist die gnadenlose Zerstörung. Für manche reicht es auch, ein Klima der Angst zu schaffen, Verwirrung zu stiften und wenige Ziele mit Symbolcharakter anzuvisieren. Die Antwort auf diese strategische Frage zu finden, ist daher eine viel interessantere Aufgabe, als so viele Waffen wie möglich zu kaufen.
Zahlen helfen uns nicht, Krieg zu verstehen. Die Theorie der Internationalen Beziehungen übrigens auch nicht: Keine der großen Gedankenschulen, vom Realismus über den Liberalismus bis zum Konstruktivismus, kann allgemeingültig erklären, warum Staaten in den Krieg ziehen. Der Grund ist einfach: Am Ende ist der Krieg ein menschliches Phänomen – und Menschen eignen sich nicht für eine große Theorie.
Krieg als Spiegel der Gesellschaft
Seien es die syrischen Rebellen oder die Ukraine: Die augenscheinlich schwächere Seite ist bisweilen motivierter und kreativer mit ihren Mitteln. Im Schnitt gewinnen in etwas mehr als der Hälfte aller Kriege die augenscheinlich Schwächeren, und ihre Chancen gehen hoch, je länger der Krieg andauert. Das liegt vor allem daran, dass sich der Angreifer in einer größeren Rechtfertigungslogik gegenüber der eigenen Bevölkerung befindet als der Verteidiger. Bekannte Beispiele sind die USA in Vietnam, Frankreich in Algerien oder die Sowjetunion in Afghanistan. Genau das macht Krieg als Phänomen so interessant: Es geht immer um viel mehr als nur Panzer und Drohnen.
Am Ende zeigt sich also: Krieg offenbart nicht nur die Stärke von Armeen, sondern auch den Zusammenhalt menschlicher Gemeinschaften. Darin spiegelt sich etwas noch Grundsätzlicheres – unsere Haltung zur Zukunft. So berührt die Frage nach dem Wesen des Krieges auch eine tiefere Frage: Welche geistige Unbeweglichkeit, welches Missverständnis steckt hinter dem angstvollen Pessimismus unserer Zeit? Und wie können wir versuchen, ihn zu wenden?
Mut zum konstruktiven Handeln
Am allermeisten nährt sich Pessimismus vom Gefühl der Machtlosigkeit. Studien zeigen: Wer viel über die Zukunft und bestimmte erreichbare Ziele nachdenkt, ist bereits optimistischer. Der Trick besteht also darin, nicht beim Horrorszenario aufzuhören, sondern den Faden weiterzuspinnen: Wo haben wir Einfluss? Was können wir unter diesen Umständen noch erreichen?
Wem das nicht reicht, dem empfehle ich die Lektüre von Viktor Frankls 1946 erschienenem Buch „Trotzdem Ja zum Leben sagen“. Darin beschreibt der österreichische Neurologe und Psychiater, wie er sogar im Konzentrationslager seine Würde behielt, indem er einen tragischen Optimismus entwickelte: nicht als Fantasie, dass doch alles gut wird, sondern als Haltung, dass man in jedem Moment frei wählen kann, wie man eine Situation betrachtet.
Studien belegen: Je mehr man darüber weiß, was die Menschheit in den vergangenen Jahren erreicht hat, desto optimistischer wird man im Hinblick auf die kommenden Jahre. Das heißt nicht, dass wir die großen Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, ausklammern sollten. Aber nur ein konstruktiver, mutiger Umgang mit ihnen wird uns helfen, sie zu meistern.
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