Zehn Erfolgsfaktoren für Führung im Tandem oder Co-Leadership

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Gemeinsam führen – bis vor einigen Jahren undenkbar, so dass von Interessierten erst regelrechte Kämpfe zur Umsetzung führten. Durch den Fachkräftemangel, aber auch durch neue Unternehmenskulturen setzt sich in immer mehr Branchen und Verwaltungen die Auffassung durch, dass Führung auch zu zweit möglich ist – und wo es nicht ermöglicht wird, verlassen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen.

Die VDI-Nachrichten berichten in ihrer Ausgabe vom 11.8.23 (Autor Chris Löwer; S. 32), dass Unternehmen wie BMW, Bosch, Mercedes, Porsche Heidelberg Materials oder ZF Führung in Teilzeit auf allen Ebenen anbieten. Beispielsweise werden sich in der Deutschen Energie-Agentur (DENA) ab Oktober zwei Frauen die Geschäftsführung teilen.

Die Gründe für Co-Leadership sind unterschiedlich: Ältere Mitarbeiterinnen wollen in Teilzeit gehen, jedoch weiterhin Führungsverantwortung tragen. Oder zwei junge Mitarbeiter mit Familie möchten gemeinsam in Teilzeit führen. Während früher argumentiert wurde, dass die Abstimmung kompliziert ist, dass zwei Köpfe für deren Führungskraft schwerer zu führen sind als einer oder dass Abstimmungen schwieriger seien, zeigen die ersten erfolgreichen Tandems, wie es geht. Gleichzeitig scheinen Doppelspitzen auf oberster Unternehmensebene wie bei SAP im Jahr 2020 zu scheitern. Also müssen Unternehmen und Verwaltungen nicht nur entsprechende Angebote machen, sondern auch sicherstellen, dass Tandems wirklich erwünscht sind, dass an den Erfolg geglaubt wird und dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind und bleiben. Der Weg in die gemeinsame Führung muss gut vorbereitet und begleitet werden, um Rollen und Aufgaben zu klären und ein gemeinsames Führungsverständnis zu entwickeln, wie eine Studie von Christiane Münderlein aus dem Jahr 2020 zeigt.

Aus meiner Erfahrung in der Begleitung von Führungstandems kombiniert mit den Ergebnissen der Studie sorgen aus meiner Sicht die folgenden zehn Erfolgsfaktoren bei den beiden Co-Leadern selbst für eine gute Tandem-Arbeit:

  1. Persönliche und fachliche Passung der beiden Führungskräfte
  2. Komplementäre, also sich ergänzende Charaktereigenschaften und Werte
  3. Intrinsische Motivation bei beiden
  4. Stetige Kommunikation untereinander und mit dem Team
  5. Dynamisches Zusammenspiel („Bälle zuwerfen“) zum Einflussnehmen
  6. Gesteigerte Problemlösungskapazität
  7. Konfliktlösungskompetenz
  8. Selbstmanagement und Selbstreflexion
  9. Klärung persönlicher Entwicklungsthemen
  10. Es muss für beide Seiten (Führungskräfte und Arbeitgeber) ein Mehrwert entstehen.

Hier ist zu sehen, dass es nicht nur um die beiden Führungskräfte geht, sondern auch um die Organisation, die bestimmte Dinge anpassen bzw. ändern muss. Und: Wie wichtig eine Begleitung durch das Personalmanagement, die Führungskraft und einen externen Coach ist, damit Fallstricke vermieden werden. Denn diese Fallstricke werden im schlimmsten Fall von Kritikern im Unternehmen gelegt, die einen Misserfolg wünschen, um ihre eigene Haltung („das wird sowieso nichts!“) oder Angst vor neuen Wegen zu bestätigen.

Was also ist zunächst von der Organisation zu tun, insbesondere, wenn aus dem ersten Piloten eine erfolgreiche Umsetzung werden soll?

Bevor sie beginnt, ein Pilotprojekt zu Co-Leadership zu starten, muss ihre eigene Rolle klären: Wieviel Offenheit und Veränderungsbereitschaft gibt es in der Organisationskultur? Ist die Organisation bereit für die Tandem-Führung auch zweier Teilzeitkräfte? Was braucht sie, um diese Offenheit zu erreichen? Wo könnte es haken? Es besteht u.a. die Gefahr einer Übertragung von Problemen aus anderen Bereichen auf das neue Tandem; manche in der Organisation warten auf das Scheitern der beiden Piloten, andere sehen ein Tandem nur als Lösung für Frauen und nicht für Männer oder erwarten organisatorische und wirtschaftliche Schwierigkeiten.

Wer sich an das Beispiel von SAP erinnert: War die Organisation wirklich bereit für eine Doppelspitze? War alles gut vorbereitet, auch die Mitarbeiter? Was genau hat nicht funktioniert? Hatten beide zusammen eine Chance oder trafen die meisten der zehn Erfolgsfaktoren von vornherein nicht zu? Warum musste die Frau gehen und nicht der Mann? Leider können die Fragen nicht beantwortet werden, es können nur Vermutungen angestellt werden.

Was ist von der Führungskraft des geplanten Tandems zu tun? Gemeinsam mit den beiden Tandem-Partnern, unterstützt vom Personalmanagement, je nach Unternehmensgröße ggf. auch von der Unternehmensleitung, sollten folgende Punkte geplant werden:

  • Entwicklung eines gemeinsamen Führungsverständnisses/ -bildes in Abstimmung mit dem Führungsleitbild der Organisation (sofern vorhanden)
  • Abstimmung von Zielen, Visionen, Strategien für das Team oder die Abteilung
  • Aufgabenklärung: Gemeinsame und individuelle Aufgaben aufteilen
  • Später: Stories zum Tandem und Co-Leadership entwickeln, um weitere Kandidat:innen und Führungskräfte von Co-Leadership zu überzeugen und sogar zu begeistern – vielleicht sogar damit die Employer Brand bekannter machen, um neue interessierte Kandidat:innen zu gewinnen.

Mit einem externen Coach sollten im Laufe eines Jahres im Rahmen monatlicher Treffen folgende Punkte entwickelt und reflektiert werden:

  • Auf welchen Charaktereigenschaften und Werten basiert das gemeinsame Führungsverständnis? Führen mit Vertrauen sowie gleiche Wege zur Zielerreichung sind für ein Tandem hilfreich.
  • Entwicklung eines Bewusstseins, dass beide nicht allein führen, sondern eine dritte Rolle vorhanden ist: Neben den beiden Leadern die gemeinsame Führungsrolle.
  • Rollenklärung: Auf Basis welcher Muster sehen beide ihre jeweilige Rolle? Liegt eine Erstarrung in einer Rolle vor, z.B. wenn vorher schon mal allein geführt wurde?
  • Verhandlung persönlicher Interessen und Entwicklungswünsche: Wer hat Kinder in welchem Alter? Pflegebedürftige Eltern? Studiert neben dem Beruf? Wer möchte wie, wann und wo arbeiten? Wann und wie oft treffen sich die beiden für Absprachen? Ist die Erreichbarkeit in der Freizeit ok? Bei welchen Themen? Wohin möchte sich jeder der beiden entwickeln, privat, beruflich, mit der Familie?
  • Gemeinsames Auftreten gegenüber Mitarbeitern, Chefs, Kunden und Lieferanten: Souverän, einheitlich, aber auch immer wieder die Unterschiede kommunizieren, um deutlich zu machen, dass die Unterschiede „normal“ und gut für die Zusammenarbeit sind und kein Grund, die beiden gegeneinander auszuspielen.
  • Umgang mit Störungen voraussehen/ planen: Durch Mitarbeiter, Vorgesetzte, Familien, Externe und eigene.
  • Raum und Zeit für Reflexion und Beratung bereithalten: Nicht nur über Fachliches sprechen, sondern auch über Zwischenmenschliches und somit einen positiven Lerndialog über die Aufgaben- und die Beziehungsebene führen.
  • Thematisierung und Umsetzung der Bereitschaft beider Leader zur dynamischen und flexiblen Zusammenarbeit und zu notwendigen und wichtigen Auseinandersetzungen.
  • Thematisierung von negativen Emotionen, Macht, Irrationalem und der Angst vor dem Scheitern, Hier sollten biografische Erfahrungen und die persönliche Reife einbezogen werden, so dass eine große Offenheit zwischen beiden erforderlich ist (siehe Hinweis auf die Passung von Charaktereigenschaften).
  • Bei Bedarf kann an einer Erhöhung der Selbstwirksamkeit von beiden gearbeitet werden, also zur Verbesserung der Lösungsorientierung anstelle einer Problemorientierung und zur Sicherheit, dass beide auch im größten Chaos immer einen Weg finden werden.

Falls einer von beiden Tandempartnern von außen kommt, ist es unabdingbar, dass die zehn Erfolgsfaktoren genutzt werden, um vor allem die persönliche und fachliche Passung, komplementäre Charaktereigenschaften, Lebensmotive und sich ergänzende Kompetenzen vorab sicherzustellen. Auch die Haltung als Führungskraft und Einstellungen gegenüber dem Leben sollten möglichst homogen sein. Ich habe Tandem-Partner erlebt, die sich persönlich und fachlich stark unterschieden und sich somit mit großem Misstrauen begegneten. So gingen stets beide zu Sitzungen oder sprachen mit Partnern oder Mitarbeitern, so das sie doppelt arbeiteten. Der Arbeitgeber hatte vor der Einstellung der zweiten Person die Passung nicht überprüft. Es endete mit einer Trennung des Tandems, das leider zu einer Bestätigung anderer Personen führte, die „schon immer gewusst haben, dass das nicht funktionieren kann“. Damit ist Co-Leadership für längere Zeit in diesem Unternehmen nicht mehr durchsetzbar.

Die VDI-Nachrichten berichten in ihrer Ausgabe vom 11.8.23 (Autor Chris Löwer; S. 32), dass Unternehmen wie BMW, Bosch, Mercedes, Porsche Heidelberg Materials oder ZF Führung in Teilzeit auf allen Ebenen anbieten. Beispielsweise werden sich in der Deutschen Energie-Agentur (DENA) ab Oktober zwei Frauen die Geschäftsführung teilen.

Wie kann man vor allem eine persönliche und charakterliche Passung sicherstellen? Ich habe sehr gute Erfahrungen mit dem LINC Personality Profiler https://anke-lueneburg.de/business-coaching/linc-personality-profiler und seinem Angebot des Partner Checks gemacht. Hier ist zu sehen, wer welche Charakterfacetten, Kompetenzen und Werte mitbringt, wo sie sich ergänzen oder wo Konflikte entstehen könnten. Im Coaching kann dann (siehe Liste oben) erarbeitet werden, wie mögliche Konflikte vermieden werden können.

Abschließend möchte ich nochmal auf den Mehrwert hinweisen, den eine Tandem-Lösung sowohl für die Führungskräfte als auch für den Arbeitgeber haben muss. Dazu gehören allgemein u.a. die stetige Verfügbarkeit eines Entscheiders, die geteilte Verantwortung und Arbeit (keine 12-Stunden-Tage) und das gedoppelte Wissen. Weitere Punkte sind in jeder Organisation zu erarbeiten.

Wer sich mit dem Gedanken trägt, Co-Leadership einzuführen, sollte sich in erster Linie über den möglichen Mehrwert sowie über die Rolle und die Bereitschaft der Organisation Gedanken machen. Dann können Tandems sehr erfolgreich werden und möglicherweise auch jüngere Mitarbeiter für Führungsaufgaben gewinnen, die es bisher (als allein Verantwortlicher) aus Furch vor zu viel Verantwortung und zu vielen Stunden abgelehnt hat.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg!

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